Während im Zeitalter der Digitalisierung eine innovative Errungenschaft disruptiv der nächsten zu folgen scheint, stehen viele Unternehmen immer noch vor der Herausforderung, sich überhaupt erst auf die anstehenden Veränderungen einzustellen. Die bittere Erkenntnis: Fachkräfte fallen auch trotz digitalen Booms nicht vom Himmel. HR muss vor diesem Hintergrund heutzutage mehr leisten denn je – das ist soweit auch kein Geheimnis. Doch sollte der alteingesessene Fleischfabrikant aus dem Münsterland dabei die gleiche HR-Strategie verfolgen wie der Elektrotechnikspezialist aus Ostwestfalen – nur weil der Kegelbruder ihm seine Strategie empfiehlt? Ist die HR-Strategie eins zu eins übertragbar? Und das erfolgreich?
Zäumen wir das Pferd einmal von hinten auf. Die HR-Prozesse der genannten Unternehmen werden sich prinzipiell kaum voneinander unterscheiden, sie sind branchenunabhängig alte Bekannte und heißen: Recruiting, Onboarding, Performance Management, Compensation und Nachfolgeplanung.
HR ungleich HR
Wenn man jedoch ein wenig genauer hinschaut, wird schnell klar, dass es durchaus industrie- oder branchenspezifische Elemente gibt, die der findige HR-Experte auf dem Schirm haben muss. So müssen Pharmaunternehmen und Banken beispielsweise sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter sich regelkonform verhalten und je nach Position und Aufgabenbereich entsprechende Zertifizierungen vorweisen können. Sonst stehen nicht nur juristische Komplikationen ins Haus, sondern auch enorme Vertrauensverluste auf Seiten der Stakeholder.
Ganz anders stellt sich das Bild beim Thema Recruiting dar. Hier sind selbst die einzelnen Teilschritte des Recruiting-Prozesses meist standardmäßig gleich und können entsprechend nach Schema F abgehandelt werden – und sind damit offensichtlich industrieübergreifend anwendbar. Dazu zählt der Fokus auf verschiedene Jobbörsen, das Aussehen und die Funktionalität der Karriereseite, aber auch die Präsenz in sozialen Netzwerken, regelmäßige Anzeigenschaltung und die Ansprache von Studenten und Absolventen.
Branchenkenntnis gewinnt
Doch was bedeuten diese Indikatoren nun für die HR-Strategie im Allgemeinen? Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass HR-Verantwortliche Experten darin sind, die ihnen überantworteten Prozesse adäquat zu managen – das erwartet man ja auch von ihnen. Auf der anderen Seite muss HR eine geschäftsorientierte HR-Strategie bevorzugen, die weiter als einfaches Transaction Management reicht.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf ist HR gut beraten, eine starke Industrieexpertise zu entwickeln, die genau so selbstverständlich sein muss wie andere Aufgaben der HR-Arbeit. Personaler müssen beim Recruiting etwa in der Lage sein, die fachliche Expertise vielversprechender Kandidaten bewerten zu können. Schließlich können nur auf diese Weise entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten für neue Mitarbeiter forciert werden. Darüber hinaus gilt es, die technischen Kenntnisse, die im Rahmen einer Nachfolge für eine definierte Position gesucht werden, zu verstehen, um eine abschließende Entscheidung fällen und entsprechende Maßnahmen treffen zu können.
Die Voraussetzung für eine adäquate Beurteilung von Kandidaten ist schlichtweg die profunde Kenntnis über die Branche, die Branchenkultur und die individuellen Feinheiten. Demnach ist eine industriespezifische HR-Strategie für den langfristigen Erfolg und das Selbstverständnis von HR ein entscheidender Faktor – und damit auch für den Erfolg des Unternehmens. HR wird vor diesem Hintergrund auch zukünftig mehr als nur ein Business Partner sein.
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